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Wehrersatzdienst, das schäbige Verhalten der WTG

Begonnen von Heinz, 11 Jan 2011, 18:15

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Heinz

In dem Thread "Heute neue Resolution vorgelesen" hat der User "Interessierter01"
(# 59) das Thema Ersatzdienst angesprochen. Das brachte mich auf die Idee, das nochmals aufzugreifen, bevor es mangels Mitbetroffener ganz in Vergessenheit gerät.

Ich bin also ein Betroffener mit 3 Monaten Gefängnis und einer saftigen Geldstrafe im Vorstrafengegister. Von der WTG hat man sich nie offiziell zur Wehrersatzdienstverweigerung geäußert. Das hätte damals vermutlich den Staat auf den Plan gerufen. Briefe nach Wiesbaden und Brooklyn blieben ungeantwortet.

Wenn man den WED allerdings ableistete, wurde man "indirekt" - d.h. ohne offizielle Bekanntmachung - ausgeschlossen mit allen Konsequenzen. Man musste auch per Dienstkommitee eine Wiederaufnahme beantragen.

Ich habe damals (ca. 1963) den zweiten Mann in Wiesbaden, Erich Frost, anlässlich eines Bezirkskongresses auf dieses Verhalten der WTG angsprochen. Da hieß es nur, "wir hoffen, dass durch das treue Verhalten der jungen Brüder die müde gewordenen Brüder in den Versammlungen wieder ermutigt werden."

Mein Eindruck war und ist jedenfalls, wenn es der WTG nützlich erscheint, geht sie auch über Leichen (siehe Malawi). Und solch ein Verein bekommt den Status "Körperschaft das öffentlichen Rechts." Blinde Richter, sag ich da nur.
Die meisten und schlimmsten Übel, die der Mensch dem Menschen zugefügt hat, entsprangen dem felsenfesten Glauben an die Richtigkeit falscher Überzeugungen.
Bertrand Russel, britischer Mathematiker und Philosoph (1872-1970)

Sanduleak

"... das schäbige Verhalten der WTG" ... Ich finde den Titel zu diesem Thema überaus passend. Und zu deinen Ausführungen, Heinz, möchte ich noch die Frage hinzufügen:

Was denken all die so sehr auf ein empfindsames Gewissen geschulten Ältesten, die einen Bruder, der Ersatzdienst geleistet hat, ausgeschlossen haben?
Was denken die Ältesten, die zwar nicht in die Verlegenheit kamen, aber aufgrund ihrer Stellung und Verantwortung jederzeit hätten kommen können?

Oft redet sich die WTG ja mit dem Argument heraus, dass auch an ihren Fehlern etwas Gutes sei. So auch in diesem Fall: "Aus welchem Grund sollten sie es bedauern, ihrem Gewissen gefolgt zu sein und unerschütterlich für Jehova Stellung bezogen zu haben?". Haben die, die der Anweisung der WTG gefolgt sind, aber tatsächlich "für Jehova" Stellung bezogen? Und was ist mit denen, die nur wegen der augenblicklichen Meinung des "treuen und VERSTÄNDIGEN Sklaven" hinausgeworfen wurden?

War das nicht ein "Menschengebot", dem man gefolgt ist - dem man folgen MUSSTE? Folgten die Ältesten (und die Betroffenen) wirklich IHREM Gewissen? Und was ist jetzt mit dem Gewissen, nachdem erkennbar ist, dass man falsch handeln MUSSTE?

Forever Seasick

Jaaa,
dazu gibts viele lustige und tragische Geschichten.

Beispielsweise die:
Mein Ex-Schwiegervadder, damals Ende der 60er verheiratet und Vater von zwei kleinen Söhnen, wurde eingezogen und verweigerte komplett, weil es ja keine Möglichkeit des WED für ZJ gab.
Das hieß also Gefängnisstrafe und damit verbunden der Verlust seines gut bezahlten Arbeitsplatzes. Um die Familie damals ernähen zu können, fing er in einer Behinderteneinrichtung als Hausmeister an. Nun der Witz: Weil die "Bryyder" meinten, er würde dort den WED durchführen, wurde ihm die Gemeinschaft entzogen.
Ist das nicht tragisch? Da verlierst du aus Glaubengründen den guten Arbeitsplatz und denkst, alles richtig gemacht zu haben und dann sowas!
Nun ja, er wurde dann jedenfalls relativ zügig wieder aufgenommen...
Lachhaft.
:-o::)
Mein Leben ist mein Wunschkonzert mit einigen sporadisch auftretenden Dissonanzen ;-)

brotzeit

Meint ihr es Würde ein solches Verhalten bzgl. Ausschluss ohne ein offizielles Verbot seitens der WTG noch geben? Wurde das denn nie schriftlich irgendwie festgehalten, und wenn nich, wie lief denn die Revidierung dieses Verbots ab? Wie verlief es denn mit Ausschlüssen, die kurz vor der Revidierug des Verbots, getätigt wurden? Wurden die dann annuliert?

Der Querdenker

Ich finde, dass dieses Thema áuch einen eigenen Fred verdient hat.

Schliesslich gibt es hier einige, die dieses Thema betroffen hat.

Ich sass 1995 auch für 3 Monate im Gefängnis, hatte am Ende umgerechnet 5.000 Euro Rechtsanwaltkosten zu begleichen, mir wurde gekündigt, ich war für 2 Jahre vorbestraft, ich stand am Titelblatt der hiesigen Zeitung als Wehr und Wehrersatzdienstverweigerer - das war eine Ehre.

Ich weiss noch, dass ich den Bausparvertrag auflöste um die letzte Rechtsanwaltsrechnung zu zahlen. Ich war finanziell komplett am Ende, war gekündigt und was sagte mir mein Buchstudienaufseher: Er erklärte mir, dass das Licht heller wurde und dass der Zivildienst nun geleistet werden "darf". Welch ein Trost. Traurigerweise fand sich auch nicht eine Person, die mich ein wenig finanziell unterstützte, wirklich nicht eine. Damals hätte ich es bitter gebrauchen können.

Ich hatte das Glück, dass die Militärbehörde, noch während ich im Gefängnis sass, den Einberufungsbefehl für null und nichtig erklärte. Hätten sie ihn nicht aufgehoben, hätte das bedeuten können, dass sie mich am Entlassungstag vom Gefängnistor weg sofort in die Kaserne bringen hätten können, und der Zirkus hätte von vorne begonnen.
Sie sagte mir, dass ich schnell einen Zivildienstantrag stellen sollte, da mir sonst ein erneuter Einberufungsbefehl ins Haus flattern wird. Das tat ich natürlich auch. War ja nun erlaubt:-(

Mensch, war ich blöd.

LG

Thomas
NICHTS IST FÜR IMMER UND FÜR DIE EWIGKEIT (UNHEILIG)

ottonio

Das Dumme an der ganzen Sache ist: die LK hat da überhaupt kein Unrechtsbewusstsein, ich meine damit, die LK hält ihr Handeln völlig für Rechtens.
Schliesslich hat jeder ZJ bei der Hingabe (und spätestens bei der Taufe) sich bereit erklärt, nicht mehr für sich zu leben, sondern für die (vom unheiligen Geist geleiteten) Organisation. Man sollte als ZJ überhaupt froh sein, überhaupt für sich irgendwelche Entscheidungen treffen zu dürfen, was ihm von der LK gütiger- und gnädigerweise gewährt wird. Einen Anspruch darauf hat er jedenfalls nicht anzumelden. Und wenn er leiden musste wegen eines falschen, vorläufigen und vorübergehenden Verständnisses, dann juckt das die LK kein bisschen.
Gehirn: eine Vorrichtung, mit der wir denken, dass wir dächten. A.B.
Glück: ein Wohlgefühl, das sich einstellt, wenn man das Elend eines anderen betrachtet. A.B.
Zwischen den Zeilen liest man seine eigenen Gedanken.
Sich auf das Gesetz zu berufen beweist die eigene Unfähigkeit, ein Problem intelligent zu lösen.

Sanduleak

Ich hab miterlebt, wie um 1993/94 ein junger Mann aus meiner Versammlung ausgeschlossen wurde, weil er den Wehrersatzdienst gemacht hat. Als dann 1995 das "neue Licht" kam, hat ihn der Kreisaufseher besucht und ihm angeboten, doch wieder zurückzukommen. Der junge Mann hat dankend abgelehnt.

Find ich gut. Je öfter jemand konsequent handelt und ihnen ihre Überheblichkeit im Spiegel zeigt, desto eher fangen sie vielleicht zum Nachdenken an. Aber wie Einstein sagte: "Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Allerdings bin ich mir beim Universum nicht so sicher."

Nebenbei und nur zur Einordnung. Mit dem Wehrersatzdienst waren die Zeugen Jehovas in Deutschland gut bedient. Sowas gibt es in vielen Ländern überhaupt nicht. Und die Strafen für Wehrdienstverweigerung sind in manchen Ländern richtig heftig. Aus dieser Sicht kritisieren wir natürlich auf "hohem Niveau".

Mich würde auch interessieren, wie das in anderen Ländern geregelt wurde. Hab nämlich gehört, dass es da ähnlich Malawi/Mexiko recht interessante Kompromisse gab, z. B. in der Türkei.

Christin

#7
Zitat von: SanduleakIch hab miterlebt, wie um 1993/94 ein junger Mann aus meiner Versammlung ausgeschlossen wurde, weil er den Wehrersatzdienst gemacht hat. Als dann 1995 das "neue Licht" kam, hat ihn der Kreisaufseher besucht und ihm angeboten, doch wieder zurückzukommen. Der junge Mann hat dankend abgelehnt.

Ich habe vor Jahren zu einem Ältesten in unserer Versammlung gesagt, dass so jemand, der unschuldig ausgeschlossen wurde, sofort rehabilitiert werden muss. Der war ja sowas von entsetzt, wie ich so was sagen kann, schließlich kann der Ausgeschlossene ja in der Zwischenzeit ein zügelloses Leben geführt haben, oder andere Dinge gemacht haben die Schmach auf Jehova und seine Organisation gebracht haben. Es geht völlig in Ordnung wenn er 1 Jahr auf der ,,Sünderbank" sitzt, denn dann zeigt er Demut. >:D>:D>:D
 
Mein Mann ist auch einer, der davon betroffen war. Zuerst hat man ihm ausgeredet ein Studium an der Uni zu machen, weil vorher Harmagedon kommt, dann musste er seinen guten Arbeitsplatz aufgeben um 2 ½ Jahre im Krankenhaus zu arbeiten.
 
Er verdiente damals so wenig, dass ich froh war eine gute Arbeitsstelle zu haben damit wir über die Runden kommen. Da bekam ich gesagt, warum ich arbeiten gehe, mit ein bisschen gutem Willen würden wir doch über die Runden kommen, und ich könnte wieder Pionier werden.
 
Als er das einmal nach 1995 einem Ältesten erzählte sagte der zu ihm: Du hast das doch alles freiwillig gemacht, Du kannst doch dem Sklaven für Dein Handeln nicht verantwortlich machen und dass Deine Frau immer arbeiten geht, verstehe er eh nicht.
 
Was bin ich froh, dass wir zwar spät aber nicht zu spät den Absprung gepackt haben.

Sanduleak

Wie sich doch die Reden der "vom Geist Ernannten" gleichen. Solche Sätze habe ich auch gehört. Für mich völlig abseits von allem, was ich noch begreife und überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, wie man einerseits Recht, Wahrheit und Gewissen im Banner führt und ständig mahnt, sich der LEITUNG durch den treuen und verständigen Sklaven zu unterwerfen. Und wenn es dann mal wirklich um Verantwortung und korrektes Handeln geht, war plötzlich alles freiwillig, sozusagen die eigene Idee. Keiner will was gewusst, gewollt oder getrieben haben ... und dabei haben alle das beste Gewissen.

Stellt jemand sich so als Hüter der Herde Gottes dar, interessiert am Wohlergehen der Schafe?
Oder zeigen sich solche nicht viel mehr als bloße Hüter von Woll-, Fleisch-, Fett- und Käseliefereinheiten?

Interessierter01

#9
Als rechtlicher Laie möchte ich mal eine Frage in den Raum werfen:

Ist hier eigentlich seitens der WTG nicht die Schaffung einer Zwangslage gegeben, eine Art Dilemma, bei dem ich zwischen zwei Übeln entscheiden muss die ich ohne diese Organisation nicht hätte? Schließlich wurde hier ein strafbares Delikt eingefordert, da der Glaube an Jehova mehr zählt als der Gehorsam gegenüber den "obrigkeitlichen Gewalten".
Es entstanden bei Querdenker zB Anwaltskosten in Höhe von EUR 5000,-, und eine Vorstrafe, die ja weitere Konsequenzen mit sich zieht. Nicht zu vergessen der psychische Druck. Die andere Option wäre soziale Ächtung, und möglicherweise ebenfalls psychischer Druck wegen dem weiterhin vorhandenen Glauben und der damit drohenden Vernichtung in Harmagedon, ein schlechtes Gewissen, der Ruf etc.
Diese Situation wurde durch die WTG herbeigeführt, ohne deren Regel ist ja nun mittlerweile eine Leistung des Zivildienstes ohne weiteres möglich.

Folgendes habe ich gefunden, unter "Unlauterer Wettbewerb Gesetz":


UWG, Art. 8: Aggressive Geschäftspraktiken
Eine Geschäftspraxis gilt als aggressiv, wenn im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände die Entscheidungs- bzw. Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf das Pro-dukt durch Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt wird und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst wird, eine geschäft-liche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Der Querdenker

Zitat von: Interessierter01UWG, Art. 8: Aggressive Geschäftspraktiken
Eine Geschäftspraxis gilt als aggressiv, wenn ... die Entscheidungs- bzw. Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf das Pro-dukt durch ... Nötigung oder unzulässige Beeinflussung tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt wird und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst wird, eine geschäft-liche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte

Das trifft die Sache sehr gut, finde ich.


In der Firma, die mich dann ausstellte, arbeitete auch ein Ältester aus der Nachbarversammlung. Dieser empfahl mir, nach Deutschland zu ziehen solange ich noch keinen Einberufungsbefehl hätte.
Dies wäre eine Möglichkeit gewesen, da mein ehemaliges Vers.-Gebiet direkt an Deutschland angrenzte. Mein damals bester Freund tat dies. Er arbeitete in Deutschland und verlag seinen Wohnsitz nach Deutschland um der Situation zu entgehen. In der Versammlung waren wir aber nach wie vor beisammen.

In meinem Fall wäre es eine erhebliche Strapaze gewesen, zwecks Arbeit, hohe Miete usw. Ich lebte damals noch bei meiner Familie.

Ich hoffte einfach, dass es nicht so schlimm komme, aber denkste.

LG
NICHTS IST FÜR IMMER UND FÜR DIE EWIGKEIT (UNHEILIG)

Heinz

Als er das einmal nach 1995 einem  Ältesten erzählte sagte der zu ihm: Du hast das doch alles freiwillig  gemacht, Du kannst doch dem Sklaven für Dein Handeln nicht  verantwortlich machen (Christin)

Das war übrigens die offizielle Lesart der verlogenen WTG-Leitung und nicht nur die eines kaltschnäuzigen Ältesten. In den 60er Jahren (vielleicht auch noch danach) wurden alle ED-Verweigerer mehrfach zu Gefängnisstrafen verurteilt. Dramen haben sich damals abgespielt ohne Ende.

Bei meiner Verhandlung war gerade Dienstwoche. Der Kreisdiener dacht nicht im Traum daran, zu meiner Verhandlung mit zukommen. Nur ein paar vom Fußvolk waren da.

Bei Lehränderungen schwafelt die WTG doch gern vom "helleren Licht" und zitiert völlig zusammenhanglos eine Stelle aus Sprüche. Ist das etwa Sprüche 4:18? Wenn ja, müssen wir das auch mal auseinander nehmen.

Was hat eigentlich die Lehrenänderung "Ersatzdienst Nein" mit "Ersatzdienst Ja" mit hellerem Licht zu tun?

Eins möchte ich zu bedenken geben. Wenn es der WTG in Zukunft nützlich erscheint, würde sie bedenkenlos auch ihr Blutverbot kippen.
Ihr wären dann ihre "Blutopfer" genauso egal wie ihre "Gefängnisopfer".

 
Die meisten und schlimmsten Übel, die der Mensch dem Menschen zugefügt hat, entsprangen dem felsenfesten Glauben an die Richtigkeit falscher Überzeugungen.
Bertrand Russel, britischer Mathematiker und Philosoph (1872-1970)

Heimkehrer

Guten Abend Heinz,

es mag dir und anderen zeigen, wie das Thema auch das Radio zu einer Diskussion anregte, es sandte mir ein ehemaliger VA zur freien Verfügung, das:

 ABSCHRIFT VOM TONBAND von Gerhardt H.
  (Mitschnitt einer Radio-Sendung - wahrscheinlich vom 01.05.1967 - v. H.S.)
   
  Mod. = Moderator
  Rep. = Reporterin
  Ev.   = ein evangelischer Pfarrer
  ZJ.   = ZJ
   
   
  Mod.:     Im Namen des Volkes, im Namen des Volkes - bestraft den Angeklagten - im Namen des             Volkes ... bestraft in alle Ewigkeit. -Eine Sendung über die Problematik der Ersatzdienstverweigerung von Mara Haymann (die Schreibweise von Namen ist nicht immer sicher).
   
  Rep.:      Im Namen des Volkes ergehen in der Bundesrepublik jährlich etliche hunderttausend Urteile wegen kleinerer oder größerer Vergehen; wegen kleiner oder großer Verbrechen. Das Volk nimmt sie zur Kenntnis. Es liest davon in den Berichtsteilen des Lokalblattes. ...
   
  Mod.:     ... kleinere Prozesse fast untergehen; Prozesse wie dieser - Bonn:           Ein Bonner Schöffengericht verurteilte gestern einen 21jährigen Matrosen aus Bonn wegen Ersatzdienstverweigerung zu drei Monaten Gefängnis. Der Matrose, der im November 1962 aus religiösen Gründen vom Wehrdienst freigestellt worden war, wurde am 1. August zum Ersatzdienst in die Klinik der Bonner Universität einberufen. Nach zwölf Tagen Arbeit in der Spülküche verweigerte er den Dienst, weil er durch das dort herrschende Milieu in seiner religiösen Überzeugung gefährdet wäre
   
                  Köln: Zum zweiten Mal verweigerte ein 25jähriger in Köln den Ersatzdienst und musste sich nun wieder vor Gericht verantworten. Vor dem Kölner Schöffengericht erklärte er, nach seiner Ansicht könne er nicht ein zweites Mal für das gleiche Delikt bestraft werden. Das Gericht stellte jedoch fest, dass jede neue Verweigerung des Ersatzdienstes eine neue Tat sei und verurteilte ihn zu fünf Monaten ohne Bewährung
   
                  Kiel: Das Kieler Schöffengericht verurteilte am Donnerstag einen 23jährigen Bauschlosser, der ordinierter Prediger der Zeugen Jehovas ist, zu vier Monaten Gefängnis. Vor Gericht erklärte der junge Mann: Da die evangelischen und katholischen hauptamtlichen Geistlichen von jedem Wehrdienst befreit seien, könne er nicht einsehen, warum er als ordinierter Prediger der Zeugen Jehovas Wehrdienst leisten sollte.
   
                  Frankfurt: Ein Frankfurter Schöffengericht verurteilte am Montag einen 25jährigen als Kriegsdienstverweigerer anerkannten Zeugen Jehovas wegen Verweigerung des zivilen Ersatzdienstes in einem Krankenhaus zu der gesetzlichen Mindeststrafe von einem Monat Gefängnis.
   
  Rep.:      Lakonisch brachte vor einiger Zeit der "Stern" derartige Meldungen auf einen Nenner und formulierte forsch im Illustriertenjargon: Etwa achthundert Zeugen Jehovas entwickeln sich zu Dauergästen in deutschen Gefängnissen. Der katholische Bundesarbeitsminister Blank (CDU) besteht darauf, unbotmäßige Bibelforscher so oft hintereinander einsperren zu lassen, bis sie dem Gesetz gehorchen und zum zivilen Ersatzdienst antreten.
   
  Einen dieser "unbotmäßigen Bibelforscher" wollen wir in unserer Sendung persönlich zu Wort kommen lassen. Vorher allerdings soll uns ein evangelischer Pfarrer, der Kriegsdienstverweigerer betreut, darüber Aufschluss geben, ob es außer den Zeugen Jehovas noch andere Verweigerer des zivilen Ersatzdienstes gibt.
  Ev.:        Es ist mir nicht bekannt, dass junge Leute aus dem Bereich unserer Kirche auch den Ersatzdienst verweigern. Die Kriegsdienstverweigerer, die ich bisher getroffen und angesprochen habe, waren alle bereit, den Ersatzdienst zu leisten.
   
  Mod.:     Und nun zu unserem "unbotmäßigen Bibelforscher". Der junge Mann ist 25 Jahre alt und von Beruf Schlosser und wohnt in Wiesbaden. Seit 1957 gehört er zu den Zeugen Jehovas.
   
  Rep.:      Als ihm am 28. August 1961 die Aufforderung zur Musterung zugeht, leistet er dieser wie das Gesetz es befiehlt, Folge - stellte aber zugleich Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweiger aus Gewissensgründen.
   
  Mod.:     Diesem Antrag gab der Prüfungsausschuss für Kriegsdienstverweigerer am 9. März 1962 ohne Schwierigkeiten statt. Er war nun ein anerkannter Kriegdienstverweigerer und musste damit rechnen, zum zivilen Ersatzdienst herangezogen zu werden, der in der Regel in Krankenhäusern und sonstigen caritativen Einrichtungen abzuleisten ist.
  Am 5. November 1963 - rund drei Jahre nach der Wehrerfassung - war es so weit. Es kam ein Brief aus Bonn vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Begann bisher die amtliche Korrespondenz stets mit "Sehr geehrter Herr" ... und endete auch immer mit "hochachtungsvoll", so wehte nun aus Bonn ein anderer Wind: "Aufforderung zur Dienstleistung nach § 4 des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst. Nach dem genannten Gesetz wird der zivile Ersatzdienst von mir durchgeführt. Dem Willen das Gesetzgebers entsprechend, ...
   
  Rep.:      Reichlich militant für eine Organisation, die sich ziviler Ersatzdienst nennt.
   
  Mod.:     Unser ZJ lehnte dies Aufforderung zum zivilen Ersatzdienst ab. Aus Gewissensgründen.
  Darauf erstattete der Bundesminister für Arbeit und  Sozialordnung ein halbes Jahr später, am 15. Juni 1964 Strafanzeige nach § 37 des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst.
   
  ZJ.:         Dem entsprechend wurde ich verurteilt mit einer Gefängnisstrafe von einem Monat.
   
  Mod.:     Nach Verbüßung der Strafe begann das Spiel von neuem.
   
  Rep.:      Am 2.4.65 Einberufung durch den Bundesminister für Arbeit ...
   
  Mod.:     Acht Wochen später Strafanzeige nach § 37. Am 15.10.65 bzw. am 17.3.66 Verfahren vor dem Schöffengericht Wiesbaden.
   
  ZJ.:         Vor kurzem hatte ich die zweite Gerichtsverhandlung gehabt und da hätte ich drei Monate haben sollen - war allerdings ausgesetzt worden...
   
  Rep.:      Und welche Gründe haben sie veranlasst, zunächst den Wehrdienst und dann auch den Ersatzdienst zu verweigern?
   
  ZJ.:         Ich habe Gewissensgründe angeführt. Und zwar habe ich mich auf die Bibel selbst berufen als Christ, und habe gezeigt, dass man als Christ in einem besonderen Verhältnis zu Gott selbst stehen muss. Und wenn man dieses Verhältnis wahren möchte, dann muss man automatisch verschiedene Konsequenzen ziehen, die sich ergeben, wenn der Staat irgend welche Ansprüche an den Einzelnen stellt; habe gezeigt, dass Christen nur einem Herrn dienen können - entweder dem Staat oder aber als  Christi Nachfolger. Ich habe das dann biblisch bewiesen und es wurde allerdings nicht anerkannt, weil es nach dem Grundgesetz keine Befreiung von dem zivilen Ersatzdienst aus Gewissensgründen gibt. Und dem entsprechend wurde ich dann verurteilt.
   
  Rep.:      Sind sie als ZJ verpflichtet, den Ersatzdienst abzulehnen?
   
  ZJ.:         Nein. Es kann jeder einzelne tun wie er will. Die Wachtturm-Gesellschaft (gibt) keinerlei Richtlinien. Es ist eine Gewissensentscheidung, die jeder fällen muss!
   
  Rep.:      Sie würden also nicht aus ihrer Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen werden, wenn sie den Ersatzdienst trotzdem ableisten?
   
  ZJ.:         Nein das nicht. Es ist bekannt, dass verschiedene ZJ Ersatzdienst geleistet haben; allerdings haben die nachher später selbst zugegeben, entweder haben sie früher dieses Dienstverhältnis aufgegeben, (...?...). Sie wurden dennoch bestraft ... es ist ein Gewissenskonflikt, dem man sich aussetzt, und wenn man sich das von vornherein ersparen möchte, dann sollte man gleich konsequent handeln.
   
   
  Rep.:      Aber der Ersatzdienst ist doch eigentlich mehr ein Dienst am Menschen? ... die Menschen im Altersheim oder Krankenhaus pflegen ist doch nichts schlechtes? Warum lehnen sie es trotzdem ab?
   
  ZJ.:         Ich lehne nichts ab, wenn es darum geht, meinem Nächsten Gutes zu tun. Wie sie selbst wissen ist der Ersatzdienstleistende dem Soldaten gleichgestellt. Es wird u.a. in dieser Broschüre gesagt ...:
  Ebenso wie der Dienst des Soldaten ist der zivile Ersatzdienst des Kriegsdienstverweigerers ein Dienst an der Gemeinschaft ... Und man hat mir anheim gestellt, verschiedene caritative Einrichtungen zu benutzen und dort Dienst zu verrichten. Aber der Ersatzdienst bleibt und untersteht dem gleichen Gesetz wie der Soldat. Und es bleibt sich nun gleich, ob ich nun 18 Monate als Soldat diene oder 18 Monate als Ersatzdienstleistender. Ich stehe in diesem Falle 18 Monate lang direkt unter dem Gesetz des Staates - also unter der Gehorsamspflicht und ich muss das tun. Wenn ich es nicht tue, dann werde ich auch bestraft oder kann zur Rechenschaft gezogen werden. Und das kann ich nicht. Ich kann mit dem Staat kein enges Verhältnis eingehen, wenn ich auf der einen Seite das Verhältnis zu Gott habe und auf der anderen Seite das enge Verhältnis zum Staat.
   
  Rep.:      An diesem engen Verhältnis zum Staat, das der ZJ bei der Ableistung des zivilen Ersatzdienstes befürchtet und das er nicht eingehen zu können glaubt, entzündet sich der Konflikt. Es ist nicht so, als wären die ZJ Feinde des Staates. Sie sind ruhige Mitbürger, die ihrer Arbeit nachgehen und pünktlich ihre Steuern bezahlen. Aber damit hat sich der Fall. Sie sind jederzeit bereit, ihren Nächsten zu helfen, aber sie sehen sich nicht in der Lage, ein gesellschaftliches Engagement zu unternehmen. Sie treten keiner Partei bei, machen keinen Gebrauch von ihrem Wahlrecht und meiden überhaupt jede Verpflichtung, die über einen normalen, jederzeit kündbaren Arbeitsvertrag hinausgeht.
   
  Mod.:     Hier wird die Sache problematisch, denn üblicherweise will sich der Kriegsdienstverweigerer mit seiner Gewissensentscheidung gerade nicht außerhalb von Staat und Gesellschaft stellen.
  Pfarrer Hiegel meint dazu:
  Was die ZJ anlangt, so möchte ich nicht über sie sprechen, ohne zunächst doch ein wenig den Hut vor ihnen zu ziehen. Denn wie die Leute dagestanden haben in der Hitlerzeit und wie sie heute dastehen in anderen Staaten, die ihnen grundsätzlich das Recht der Kriegdienstverweigerung nicht geben, ist doch einiger Achtung wert. Auf der anderen Seite ist es doch so, dass die Leute grundsätzlich den Staat verneinen und diese Staatsverneinung ist für einen evangelischen Christen undiskutabel. Er bejaht den Staat. Und ein echter Kriegsdienstverweigerer fällt seine Entscheidung staatsbejahend. Er will damit für sein Volk etwas tun. Warum sollte er da nicht in ein Altersheim gehen und alte Männer pflegen und wirklich etwas für sie tun? Auf der anderen Seite ist es natürlich schwer für eine Gesellschaft, staatsverneinende Leute einfach laufen zu lassen. Das sollte ihnen vielleicht zum Bewusstsein bringen, dass es schwierig ist, in einem Staat zu leben und gleichzeitig den Staat zu verneinen. Das ist eine inkonsequente Haltung.
   
  Mod.:     Und nun stehen sie sich gegenüber. Der ganz auf sein apolitisches Gewissen bezogene Einzelne und die Gesellschaft, die auf den organisierten Dienst ihrer Glieder nicht glaubt verzichten zu können und nicht verzichten will. Zeichnen sich in dieser Konfliktsituation überhaupt Möglichkeiten einer Lösung ab?
   
  Rep.:      Möglichkeit Nummer 1 kommt von den betroffenen Ersatzdienstverweigerern selbst:
   
  ZJ.:         In den verschiedenen Zeitungsberichten über verschiedene Prozesse, die gegen Ersatzdienstverweigerer geführt wurden, sagen die Leute übereinstimmend, dass sie bereit wären, einen freiwilligen Dienst am Nächsten an Stelle des Ersatzdienstes zu leisten.
   
  Fortsetzung folgt sogleich

Heimkehrer

Schluss:

 Mod.:     Bereits ein knappes Jahr vor dem zitierten Beschluss des Landgerichts Wiesbaden versuchte der Deutsche Bundestag die verworrene Situation zu klären. Im Rahmen der Beratung eines Änderungsgesetzes über den zivilen Ersatzdienst war in zweiter Lesung ein SPD-Antrag angenommen worden, der besagte, dass Ersatzdienstverweigerer, die insgesamt 18 Monate im Gefängnis gesessen haben, nicht weiter zum Ersatzdienst einberufen werden sollen. Achtzehn Monate - so lange dauert bekanntlich der Wehrdienst. Aber in der entscheidenden Sitzung am 5. Mai 1965 wurde diese Änderung auf Antrag der CDU/CSU wieder rückgängig gemacht. Im Hammelsprung mit 143 Stimmen siegten die Unionsparteien über die 138 Stimmen der SPD und FDP. Zuvor jedoch waren im Plenum die Meinungen der Abgeordneten harrt aufeinander geprallt.
   
  Auszüge aus dem Protokoll der 179. Sitzung des 4. Deutschen Bundestages am 5. Mai 1965:
  Abgeordneter Scheffmann (CDU):
  Im Grunde ist es doch so, meine sehr verehrten Damen und Herrn, wir wollen doch mal folgendes sehen: Oberstes Gebot muss sein, auf dem Gebiet des zivilen Ersatzdienstes keine Sonderrechte zu schaffen. Ich bin der Meinung, dass man gegenüber der Bundeswehr eine solche Vergünstigung, so möchte ich sie bezeichnen, die man hier für Kriegsdienstverweigerer einführen will, dass man das nicht tun soll. Dass man hier in gleicher Weise - ich will nicht davon reden, von fortlaufender Bestrafung, das soll in gar keiner Weise vorgenommen werden - aber es muss doch endlich einmal auch klar gemacht werden, dass diese Kriegsdienstverweigerer, die ja praktisch diese staatliche Ordnung ablehnen, dass diesen Kriegsdienstverweigeren auch mal klar gemacht werden muss, wenn sie in dieser Gemeinschaft leben und die Gemeinschaft für sie sorgen soll, dass sie umgekehrt aber auch sich in der Gemeinschaft an dieser Ordnung zu fügen haben. Das möchte ich aber doch einmal ganz klar gesagt haben. Anders geht es doch wirklich nicht.
   
  Abgeordneter Wolff (SPD):
  Wie mein Kollege Jahn schon angeführt hat ... denjenigen, der aus Überzeugungsgründen den Ersatzdienst verweigert, wegen jeder neuen Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls immer wieder zu bestrafen. Wir meinen hier mit dem Strafrechtsausschuss, dass dieser gegenwärtige Rechtszustand wenig befriedigend ist. Zumal er dazu führen kann, dass die Summe der gegen ihn verhängten Strafen eine Höhe erreicht, die in keinem rechten Verhältnis mehr zu dem Verhalten des Täters steht, wenn man berücksichtigt, dass dies nur die Folge des aus religiöser Überzeugung ein für allemal gefassten Entschlusses ist. Die Antragsteller bekennen sich deshalb zu der Auffassung des Sonderausschusses Strafrecht, der den federführenden Ausschuss einstimmig empfohlen hat, an § 12 einen Absatz 5 anzufügen mit folgendem Wortlaut: Hat ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer gegen ihn wegen Dienstflucht Freiheitsstrafe in einer Gesamthöhe von mindestens einem Jahr verbüßt, so wird er nicht mehr zum Ersatzdienst einberufen.
  Bundes-Justiz-Minister Dr. Weber (CDU):
  Ich begrüße es, dass eine so ernsthafte Debatte um Gewissensfreiheit und Gewissensnot geführt worden ist. Unser Grundgesetz hat diese Entscheidung des Gewissens in Artikel 4, Absatz 3 anerkannt. Dass daraus andererseits Konsequenzen entstehen, dass der Staat auf Ordnung halten muss, dass der Staat auf Gleichheit und gleiche Behandlung vor dem Gesetz bei gleichartigen Tatbeständen bestehen muss, ist ebenso klar. Der Grundsatz der Gleichberechtigung verbietet es, dass der Ersatzdienstpflichtige anders behandelt wird als der Wehrdienstpflichtige. Er verbietet es, beim Ersatzdienst die Möglichkeit der Einberufung nach mehrfacher Bestrafung wegen Dienstflucht gesetzlich zu beschränken, die entsprechenden Vorschriften im Wehrpflichtgesetz jedoch unberührt zu lassen. Besondere Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung des Ersatzdienstpflichtigen im Verhältnis zum Wehrdienstpflichtigen erfordern und rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.
  Die bisherige Verwaltungspraxis erfordert im übrigen eine Regelung im Sinne des jetzt in zweiter Lesung beschlossenen § 12, Absatz 5 nicht. Nach meinen Erkundigungen liegt bisher kein einziger Fall vor, dass jemand mit 18 Monaten bestraft worden ist. Eine Bindung an eine bestimmte Gesamthöhe erscheint mir daher nicht zweckmäßig. Sie kann sich sogar zweckwidrig auswirken. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass viele Bestrafte im Falle einer erneuten Einberufung den Dienst aufnehmen. Und darin, Herr Kollege Dörr, liegt der Strafzweck. Er soll den Willen desjenigen, der sich der öffentlichen Ordnung entgegenstellt, brechen und die Betroffenen zur besseren Einsicht bringen.
   
  Frau Dr. ... Nikolaus (FDP):
  Ihre Rede zeigt sehr wenig Verständnis für die Gewissensnöte anderer, zeigt sehr wenig Verständnis für solche Menschen, die lieber ihr Leben hergegeben haben als dass sie ihrem Gewissen nicht Folge geleistet sind. Ich teile nicht die Auffassung der ZJ. Aber ich bin tolerant, so wie es dem Grundgesetz entspricht und bin deshalb der Auffassung, dass man auch diesen Menschen hier diese Gewissensnot zubilligen kann. Ich bitte deshalb um Annahme der beiden Anträge.
   
  Abgeordneter Scheffmann (CDU):
  Der Ersatzdienst ist Erfüllung der allen männlichen Staatsbürgern treffenden Wehrpflicht. Das muss doch einmal ganz klar herausgestellt werden. Es ist nicht einzusehen, warum 0,4% davon deutlich besser gestellt werden sollen, während die restlichen 99,6% schlechter gestellt sind. Und wenn hier von den ZJ gesagt wird, dass sie diesen Dienst verweigern und dass sie nicht daran denken oder dass sie etwa glauben, man wollte sie zu Märtyrern machen, das stimmt nicht. Sie mögen ihre Gründe dafür haben so wie sie wollen, das soll uns gleich sein. Wir werden niemals diese Gründe anerkennen und werden aus diesem Grunde auch diese Anträge beide, wie sie von ihnen gestellt sind, ablehnen...
   
  Mod.:     Nach dem Willen der Parlamentsmehrheit sollte sich also am Strafmaß und auch an der wiederholten Bestrafung von Ersatzdienstverweigerern nichts ändern.
   
  Rep.:      Es liegt nun am höchsten Gericht der Bundesrepublik die Lage zu klären und ein endgültiges Urteil zu sprechen.
  Ein Jurist fasste für uns die Hauptargumente der Ersatzdienstverweigerer nochmals zusammen: Da ist 1. das religiöse Argument der ZJ, die keinen Dienst innerhalb eines besonderen Gewaltverhältnisses im Staat leisten wollen, weil dadurch ihr Bundesverhältnis zu Gott gestört würde, womit sie in einen Gewissenskonflikt kämen. Sie lehnen also jeden Dienst, der ihnen durch staatliche Normen auferlegt wird, ab, obwohl sie den gleichen Dienst freiwillig tun würden.
  Das 2. Argument gegen eine Ableistung des Ersatzdienstes lautet, dass dieser praktisch eben doch eine indirekte Unterstützung des Kriegsdienstes darstellt. Denn dadurch, dass man innerhalb des Ersatzdienstes z.B. in einem Lazarett arbeitet, wird ein anderer Staatsbürger in seinem Aufgabenbereich frei und kann zum Kriegsdienst herangezogen werden. Wenn man diese Verquickung von Kriegs- und Ersatzdienst sieht, wird das Problem juristisch fassbar, weil ja nach dem Grundgesetz der Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigert werden kann. Argumentiert man so, dann könnte man folgern, dass die Freiheit der Gewissensentscheidung, für die im Grundgesetz Raum gewährt wird, auch für den Ersatzdienst gelten muss, und dass demzufolge auch dieser berechtigterweise verweigert werden kann.
   
  Rep.:      Nun, der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat bereits entschieden, dass sich kein Kriegsdienstverweigerer auf die verfassungsrechtlich garantierte Gewissensfreiheit berufen kann, wenn er sich weigert, den zivilen Ersatzdienst ohne Waffe zu leisten.
   
  Mod.:     Das nun zu erwartende Urteil wird sich daher auf die Frage konzentrieren, ob der § 37 des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst unbeschränkt auf Wiederholungstäter anwendbar ist. Ob also, zumindest theoretisch, eine Bestrafung in alle Ewigkeit, genauer gesagt bis zum 45. Lebensjahr weiterhin möglich sein soll.Rep.:               Übrigens soll seit dem Jahre 1962 noch eine andere Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe (anhängig sein). Sie bezieht sich auf den § 11 des Wehrpflichtgesetzes. Dieser § besagt nämlich, dass evangelische und katholische Geistliche sowohl vom Wehrdienst als auch vom zivilen Ersatzdienst befreit sind. Eine Lösung, die man, wenn man sie für richtig und glücklich hält, auch den hauptamtlichen Predigern anderer Glaubensgemeinschaften wie den ZJ zubilligen sollte.
   
  Ev.:        Wenn man das schon katholischen oder evangelischen Pfarrern zugesteht, sollte man es denen auch zugestehen. Der Meinung bin ich. Auf der anderen Seite bin ich der Meinung, dass es äußerst fatal ist, dass man nur von unseren Leuten - wir haben ein anderes Amtsverständnis als die katholische Kirche - ich finde es fatal, dass man uns frei stellt.
  Wir haben uns da zu unbesehen in das Schlepptau einer ganz anderen Auffassung des geistlichen Amtes begeben und hätten besser darauf verzichtet, die evangelischen Pfarrer freizustellen. Denn ich kann bei meinen Gemeindegliedern Entscheidungen nur nachfühlen und ihnen letzten Endes nur dann einen echten seelsorgerischen Rat geben, wenn ich grundsätzlich in der selben Situation bin wie sie. Ich bedaure es, dass ich dieser Gewissensentscheidung nicht genau so ausgesetzt bin, wie die jungen Leute, die keine Pfarrer sind.
   
  Mod.:     Kriegsdienstverweigerung ist in Deutschland nicht populär. Die relativ geringen Zahlen der Kriegsdienstverweigerer beweisen das. Ersatzdienstverweigerung ist erst recht nicht populär und, wenn dieser Vergleich gestattet ist, auch noch wesentlich problematischer als die Verweigerung des Waffendienstes. Dennoch erschien uns eine Sendung über die Problematik der Verweigerung des zivilen Ersatzdienstes und über Probleme, denen sich die sehr geringe Minderheit der Ersatzdienstverweigerer gegenüber sieht, als dringend notwendig. Denn nicht zuletzt gehört die Art, wie eine Gesellschaft mit ihren Minderheiten auskommt, zu den wesentlichen Merkmalen einer Demokratie.
   
  Abgeordneter Jahn (SPD):
  Ich sage ganz offen, im Grunde genommen ist es betrüblich zu sehen, dass wir nicht so viel Mut, so viel freiheitliche Einstellung, so viel liberale Gesinnung aufbringen können und sagen: Eigentlich müssten wir es aushalten können, dass so eine verhältnismäßig kleine Gruppe von Menschen wie hier, eine ernsthafte Auseinandersetzung für die unter Berufung auf das Gewissen völlig aus den notwendigen sonstigen staatlichen Maßnahmen ausnehmen. Nun, das scheint nicht möglich zu sein. Aber das, was sich jetzt auf Grund der geltenden Gesetzeslage tut, ist  ein auf die Dauer nicht nur unbefriedigender sondern unerträglicher Zustand.
  -Bandende-

Heinz

Reporter:      Sind sie als ZJ verpflichtet, den Ersatzdienst abzulehnen?

  ZJ.:         Nein. Es kann jeder einzelne tun wie er will. Die  Wachtturm-Gesellschaft (gibt) keinerlei Richtlinien. Es ist eine  Gewissensentscheidung, die jeder fällen muss!
   

  Reporter:      Sie würden also nicht aus ihrer Glaubensgemeinschaft  ausgeschlossen werden, wenn sie den Ersatzdienst trotzdem ableisten?
   
   
  ZJ.:         Nein das nicht.

Und das ist eine dicke Lüge! Selbstverständlich wurde eine ED-Leistender ausgeschlossen. Wurde auch wie ein z.B. wegen Hurerei Ausgeschlossener behandelt.

Und er musste einen Wiederaufnahmeantrag bei seinem Rechtskommitte stellen, wenn er wieder aufgenommen werden wollte. Er war definitiv draußen!!! Was soll denn diese Lügnerei. Wurde doch nur zum Schutz der WTG gemacht.
Die meisten und schlimmsten Übel, die der Mensch dem Menschen zugefügt hat, entsprangen dem felsenfesten Glauben an die Richtigkeit falscher Überzeugungen.
Bertrand Russel, britischer Mathematiker und Philosoph (1872-1970)