Familie des Partners ZJ (Partner Aussteiger)

[InesF21]

Liebes Forum,

lange habe ich nach einer Möglichkeit gesucht über meine Sorgen und Ängste zu sprechen.
Mein Partner ist seit 10 Jahren nicht mehr bei den ZJ. Seine Familie sind jedoch alle fest überzeugte Zeugen.
Vor allem sein Bruder und seine Schwester nehmen das Kontaktverbot sehr ernst, sodass er weder Sie noch seine Neffen und Nichten sehen darf. Auch seine Mutter hat nur sehr kühlen Kontakt zu uns. Sie spricht oft davon, dass man sie eigentlich dafür bestrafen müsste, dass sie Kontakt zu ihrem Sohn hat. Sie spricht auch oft von ihrem Glauben, bringt ihm irgendwelche WT Hefte zum Wiedereinstig etc.mit und hat mir auch gesagt, dass er ihr versprochen hat irgendwann zurückzukommen.
Das alles stößt bei mir auf massives Unverständnis und ruft große Ängste und Sorgen auf. Meine Eltern wollen seine Familie unbedingt kennenlernen (ich habe Angst davor, da meine Eltern komplett anti ZJ sind und Abweisung des eigenen Sohnes niemals verstehen würden). Zudem stelle ich mir fragen wie : wie wird unsere Hochzeit ablaufen? Wird seine Familie (wie schon mal von der Mutter angekündigt) nicht dabei sein können? Wie erkläre ich das meiner großen Familie und Verwandtschaft? Wie wird das sein wenn wir Kinder haben? Wird seine Mutter Sie auch zu ZJ machen wollen? Was wenn mein Freund zurückkehrt?
All das belastet mich unglaublich und bereitet mir riesen Zukunftsängste, es treibt mich sogar so weit, dass ich Trennungsgedanken habe, auch wenn ich weiß, dass mein geliebter Freund die Situation nicht wirklich beeinflussen kann.
Mein größter Wunsch wäre es die Familie von dieser schrecklichen Sekte zu befreien und ein normales glückliches Leben und intaktes Familienverhältnis zu seiner Familie führen zu können.
Ich bitte dringend um Hilfe und freue mich über jeden Ratschlag.  
Liebe Grüße und tausend Dank im Voraus!

[Lavendel]

Guten Morgen und herzlich Willkommen hier, Ines!

Deine Situation tut mir leid, darum beneide ich Dich nicht.

Der Dreh- und Angelpunkt bei Deinem Freund ist, ob er an die Lehren der Zeugen Jehovas ( bzw. Wachtturm Gesellschaft oder neuerdings JW.org ) glaubt.
Glaubt er immer noch, hat er auch Angst vor der Vernichtung im Krieg Gottes. Wenn das so ist, besteht immer die Gefahr, rückfällig zu werden. Besonders, wenn er seine ''unsittlichen'' Verhältnisse geklärt haben wird, durch eine Heirat mit Dir.
Mann und Frau dürfen in dieser Gemeinschaft nicht vor der Ehe zusammen leben oder intim werden. Nun, das wird bald alles ''legal'' sein bei Euch. Was dann? Dann steht einer Rückkehr für ihn nichts mehr im Wege.

Es mag sein, daß Dein Freund noch nicht so weit ist, sich der Problematik zu stellen. Aber Du bist so weit. Ich nehme an, daß Du 21 Jahre alt bist ( wegen Deinem Nicknamen ) und er etwas älter ist als Du, da er bereits 10 Jahre aus der Gemeinschaft ausgebrochen ist.

Lass Dich bitte nicht von ihm vertrösten oder unterbuttern, es geht um Euer gemeinsames Leben. Du hast scheinbar schon ein Bauchgefühl, bitte gehe dem nach. Das kann man auch liebevoll machen. Und teile Deine Ängste Deiner Familie mit. Tief im Inneren weißt Du auch, daß sie das Recht haben, sich über den Kontaktabbruch seiner Familie zu wundern. Doch Du benötigst Rückhalt, Du bist zu jung, um Dich gegen einen Mann durchzusetzen, den Du zum einen liebst, und der Dich in seiner Verzweiflung ( weil er zwischen den Stühlen sitzt ) womöglich abwehren und vertrösten wird. Er ist zu einem Zeitabschnitt älter, wo man Frauen gut prägen und lenken kann.

''Ein geteiltes Haus'' - so nennen Zeugen Jehovas die Ehen, wo nur ein Partner ein Zeuge ist. Dieser Partner ist immer ein ''Ungläubiger'', gleichgültig, ob dieser Mensch katholisch oder protestantisch ist. Daran erkennt man schon einmal die Grundhaltung zu den Mitmenschen.

Wenn Kinder gekommen sind, wird es noch einmal brisanter. Selbst wenn Dein nunmehr Ehemann nicht zurückgeht, so ist da noch die Oma. Immer, wenn Ihr die Enkel dort abgebt, sie werden unterwiesen. Sie werden mit Angst gefüttert, daß die Mama sterben wird, sie werden mit in die Versammlung genommen, Weihnachten, Ostern und bei Geburtstagen dürfen sie von dieser Oma nichts erwarten. Die Kinder werden das Gefühl bekommen, daß sie etwas falsch machen, das mit der Seite Deiner Familie etwas nicht stimmt.

Glaub mir, ich weiß, wovon ich schreibe, ich litt als Kind darunter, wie meine Eltern mich gegen die katholischen Großeltern drillten. Bis heute kann ich nicht darüber nachdenken, wie ich mich gegen sie isolierte, weil ihr Tod durch Gottes Hand, ein ewiges Leben im Paradies ohne sie, unerträglich für mich war. Nur bei einer Oma konnte ich mich dafür entschuldigen und mit ihr ihren 90. Geburtstag feiern. ( Ich weine gerade beim Schreiben )

Die Sache muß mit Deinem Freund geklärt werden. Wenn Du das nicht machst und heiratest, läufst Du in eine ungewisse Zukunft. Aufgeschobenes läuft einem immer hinterher.

Es tut mir von Herzen leid. Bitte hole Dir Unterstützung in jeder Form, durch Familie, Familienberatungsstelle, Partnerberatung oder Sektenberatung bei Euch in der Nähe. Sträubt Dein Freund sich dagegen und möchte erst einmal heiraten, ist etwas im Busch. Auch er tut mir leid. Doch dann sollte Dir klar sein, daß Du nur noch Schadensbegrenzung betreiben kannst.

Du hast ein Recht auf Klarheit.

Die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas ist extrem, auch wenn sie kein Kopftuch tragen.......sie dringen tief in den Geist eines Menschen, entwerten ihn, machen ihn dienstbar.

Bitte gib auf Dich Acht und höre auf Deine innere Stimme. Selbst wenn Du einen Tag vor dem Standesamtantritt unsicher bist, lass es.
Ich hatte drei Freundinnen, die an dem Punkt nicht die Biege machten, wegen der Peinlichkeit.....sie alle scheiterten.

[Heinz]

@Ines,
ich würde dir dringend empfehlen, folgendes Buch zu lesen: "Jehovas Gefängnis" von Oliver Wolschke. Da wird dir klar werden, erstens dass die Familie deines künftigen Mannes sich niemals von deiner  Familie beeinflussen lassen wird. Zweitens, dass die Gefahr sehr groß ist, dass dein künftger Ehepartner zur Sekte zurückkehrt. Das Buch enthält keine plumpe Abrechnung sondern ist sehr sachlich gehalten und wäre für dich - meine ich - genau  das Richtige. Dann kannst du deine Situation nochmals in Ruhe überdenken.
 Eines muss dir klar sein, einem Zeuge fehlt jede Empathie für seinen Mitmenschen. Dieser ist nur Missionsobjekt und wird mit übergroßer Freundlichkeit getäuscht. Diese fehlende Empathie für seinen Mitmenschen ist erklärbar. Wenn man sehnlichst die Vernichtung von 8 Milliarden Menschen erwartet einschließlich Kinder in "der Schlacht von Harmagedon", dann sind diese Sektenmitglieder deformierte gefühlskalte Menschen, ohne es selbst zu merken. Aber sie sind Meister darin, eine heile Welt vorzuspielen. Man hat die Zeugen mal richtigerweise als "Sekte mit zwei Gesichtern" bezeichnet. Das solltest du vielleicht bedenken.

[MeIsE]

... wie wird unsere Hochzeit ablaufen? Wird seine Familie (wie schon mal von der Mutter angekündigt) nicht dabei sein können? ...

ZJ dürfen keine Frau heiraten, die keine ZJ ist. Wer es trotzdem macht - wird sanktioniert. Zu so einer Hochzeit darf die Familie nicht kommen - sonst wird sie sanktioniert (insbesondere die Männer).
Sollten trotzdem ZJ zur Eurer Hochzeit kommen, dann dürfen diese Euch z.B. nicht zuprosten (mit Gläser anstossen) und div. andere Dinge nicht. Eure Hochzeit wird also definitiv nicht so ablaufen, wie Du Dir es wünschst oder vorstellst.

... Wie erkläre ich das meiner großen Familie und Verwandtschaft? ...

Indem Du Ihnen berichtest, dass ZJ keine bedingungslose Liebe leben können - auch nicht zu ihren eigenen Kindern. Die Liebe ist immer "konditionell" - heisst - an eine einzige Bedingung geknüpft: Ein ZJ liebt nur die Menschen, die auch ZJ sind UND nach diesem Glauben leben.

...Wie wird das sein wenn wir Kinder haben? Wird seine Mutter Sie auch zu ZJ machen wollen?...

Hat Lavendel ja schon beantwortet. Um Deine Kinder zu schützen, wirst Du nicht wollen, dass Sie ohne Deine Aufsicht bei ZJ sind.
Das wird den Kindern nur schwer zu erklären sein.

... Was wenn mein Freund zurückkehrt? ...

Das wäre das schlimmste vorstellbare Szenario. Jede Woche wird dann Dein Mann mindestens 3 mal das Haus OHNE Dich verlassen um in die "Kirche" zu gehen und um andere Menschen zu missionieren. Meistens Samstags und /oder Sonntags. Oft ist damit frühes Aufstehen verbunden. Wenn Ihr in Urlaub fahrt, wird er am Urlaubsort auch wieder ZJ aufsuchen und dort in die "Kirche" gehen. Wo auch immer ihr auf andere Reisende trefft, wird Dein Mann versuchen, diese zu missionieren.

Dein Mann wird keine Geburtstage, Weihnachten, Ostern, Nikolaus, Namenstage, Halloween usw. feiern und wird versuchen, es Dir und dem Kind zu verbieten. Zumindest wirst Du an solchen Festtagen definitiv NICHT Deine Familie in Eurem zuHause einladen können.

Dein Mann wird bestimmte Szenen im Fernsehen/Kino nicht ansehen, sogar viele Filme und Serien gar nicht erst anschauen.

Dein Mann wird keine Karriere machen. Im schlimmsten Fall wird er "Pionier" sein wollen (nahezu jeden Tag missionieren) und Euch mit einem kärglichen Gehalt über Wasser halten. Immer in der von ZJ versprochenen Hoffnung, dass in Kürze alle Menschen (ausser den ZJ) vernichtet werden.

Dein Mann wird als ZJ seine Frau niemals als gleichberechtigt ansehen. Er hat seinem Glauben gemäß das Recht, das Oberhaupt der Familie zu sein und bei Differenzen das letzte Wort zu haben - spricht die endgültige Entscheidung zu treffen.

Dein Mann und seine Familie werden es als erklärtes Ziel sehen, Dich und Eure Kinder zum Glauben der ZJ zu bringen. Du wirst also ständig damit konfrontiert. Jeden Morgen, Mittag und Abend wird er vor dem gemeinsamen Essen am Tisch zu seinem Gott beten. Wenn Du Pech hast sogar laut. Er wird seinen Gott darum bitten, dass Du zu seinem Glauben konvertierst. Zumindest Abends vor dem Einschlafen wird er dann heimlich darum beten.

Deine Kinder dürfen kein Spielzeug haben, das auch nur annähernd etwas mit Hexen, Zauberern usw. zu tun hat. Filme die damit zu tun haben wird er auch verbieten.

Die Schulzeit wird für die Kinder der blanke Horror - wenn Dein Mann Entscheidungen für die Kinder treffen darf.

Ich könnte hier seitenweise schreiben, mit was Du Dich später "rumschlagen" musst, wenn Dein Mann zu den ZJ zurück kehrt.

... Mein größter Wunsch wäre es die Familie von dieser schrecklichen Sekte zu befreien und ein normales glückliches Leben und intaktes Familienverhältnis zu seiner Familie führen zu können.  ...

Vergiss es - hat bisher niemand geschafft.

...All das belastet mich unglaublich und bereitet mir riesen Zukunftsängste, es treibt mich sogar so weit, dass ich Trennungsgedanken habe, auch wenn ich weiß, dass mein geliebter Freund die Situation nicht wirklich beeinflussen kann.
...
Ich bitte dringend um Hilfe und freue mich über jeden Ratschlag. ...

Ich kann Dich sehr gut verstehen.

Mein persönlicher Ratschlag:
Du hast heute schon "Trennungsgedanken" - die werden immer und immer wieder in Dir hochkommen.
Verlasse ihn - so schwer es Dir auch fällt. Renne so weit weg von ZJ wie auch immer Du nur kannst.
ZJ sind wie Vampire - Sie saugen Dir jegliche Lebenskraft, Lebensfreude und Lebenslust aus. Das erlebst Du ja gerade selbst in den Anfängen, denn anstatt Dich über Eure Liebe und Partnerschaft zu freuen - musst Du Dich mit einem "Mist ohnesgleichen" auseinandersetzen. Wie auch immer Du jetzt weiter vorgehst - ich wünsche Dir viel Glück und Erfolg bei Deinen Entscheidungen.

[ottonio]

Ich kenne ihn nicht. Daher ein einfacher praktischer Rat:
Sag ihm, dass du die ZJ für eine gefährliche, familienzerstörende Sekte hältst.
Stimmt er dir zu, besteht noch Hoffnung.
Entsteht daraus ein Streit, oder auch nur Ausflüchte, oder verzieht er bloss das Gesicht, dann weisst du wie der Hase läuft, auch und ganz besonders in Zukunft.
Denn dann spielt er dir, und vielleicht auch sich selbst, nur was vor.

Und: auf keinen Fall heiraten! Es besteht im 21. Jahrhundert keine Lebensnotwendigkeit dazu.

[mitch67]

nun dein Mann ist ein ZJ

und auch wenn die Familie die andere Seite gerne kennen lernen möchte.. dazu besteht kein Zwang, gerade wenn man etwas gegen die Gruppe, der sie angehören hat.

das würde ich deiner Seite auch sagen.

Vielleicht kann dein Partner aber dann sehen, dass er auch woanders ohne Vorbehalte und gleiche Religion akzeptiert wird.

[Aussteigerin]

Hallo Ines, erst einmal auch von mir ein herzliches Willkommen. Den Gedanken von mitch halte ich für sehr gut. Gerade die ZJ behaupten ja daß Güte, Menschlichkeit, wahre Nächstenliebe, herzliche Gemeinschaft, wahrer Glaube, Mildtätigkeit, wahre Freundschaft usw. usw. nur bei ihnen zu finden sei.

Nun hegt Dein Freund ja schon gewisse Zweifel, denn sonst hätte er die ZJ wohl nicht verlassen, und wenn er nun sieht daß er das alles auch bei den "Weltmenschen" und Angehörigen der "falschen" Religion findet, könnten sich seine Zweifel noch vertiefen und somit ein Nach,- bzw. Umdenken bewirken.

Genau das hat z.Bsp. mich zum Nachdenken und nach und nach zum Umdenken gebracht.

[Lavendel]

Nun hegt Dein Freund ja schon gewisse Zweifel, denn sonst hätte er die  ZJ wohl nicht verlassen, und wenn er nun sieht daß er das alles auch bei  den "Weltmenschen" und Angehörigen der "falschen" Religion findet,  könnten sich seine Zweifel noch vertiefen und somit ein Nach,- bzw.  Umdenken bewirken.

Vielleicht hatte der Mann nie Zeifel, sondern hat damals vor 10 Jahren geraucht oder eine Freundin gehabt und bekam die Gemeinschaft dafür entzogen. Das wäre keine aktive Aktion gegen die Zeugen Jehovas, sondern er kann nach wie vor in deren Ideologie feststecken.

Diese Feinheiten wird Ines nicht von ihm zu hören bekommen.